ADHS (Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung)  

 

Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine Erkrankung und kein "Produkt" unserer vermeintlich unruhigen oder sogar "kinderfeindlichen Zeiten", auch wenn solche Meldungen immer wieder in den Medien erscheinen. Bereits aus dem 19. Jahrhundert liegen zahlreiche wissenschaftliche Berichte über die ADHS vor, in Deutschland hat der Frankfurter Psychiater Dr. Heinrich Hoffmann schon 1845 in seinem berühmten Kinderbuch "Der Struwelpeter" mit dem "Zappelphilipp" eine anschauliche und verständliche Beschreibung eines hyperkinetischen Jungen geliefert.

 

Dennoch ist das Wissen um diese Erkrankung in Deutschland noch erstaunlich wenig verbreitet, in den letzten Jahren beschäftigten sich aber immer mehr Forscher mit den Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der ADHS.

 

Ungefähr 5 Prozent aller Kinder leiden an einer ADHS, der Schweregrad der Erkrankung kann dabei sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Jungen sind um ein Mehrfaches häufiger betroffen als Mädchen. Auch wenn die Erkrankung in erster Linie zum ersten Mal bei Schulkindern festgestellt wird, tritt sie in der Regel schon früher auf. Es können sogar Jugendliche und auch Erwachsene an einer ADHS leiden. Folgende Symptome gelten bei Kindern als Warnzeichen und sind alle oder einzeln über einen Zeitraum von mehreren Monaten vorhanden.  

 

Das Kind:

-     ist impulsiv (handelt, ohne zu denken), erscheint ungeduldig und unruhig

-     ist leicht ablenkbar und unkonzentriert

-     ist ständig in hektischer Bewegung, läuft ungerichtet hin und her

-     kann nur selten ruhig an einem Platz sitzen bleiben

-     ist unaufmerksam

-     scheint oft nicht zuzuhören

-     befolgt Anweisungen der Eltern und Lehrer oft nicht und scheint diese nicht verstanden zu haben

-     beendet angefangene Dinge (Spiele, Aufgaben) oft nicht

-     macht viele Leichtsinnsfehler

-     hat Schwierigkeiten, sich beim Spielen leise zu verhalten

-     kann in Gruppensituationen oft nicht abwarten, bis es an die Reihe kommt

-     redet häufig dazwischen, auch im Unterricht

-     wird in der Schule häufig wegen seines Verhaltens getadelt oder bestraft

-     hat Schwierigkeiten, ordentlich zu schreiben

-     stört andere Kinder beim Spiel

-     hat Schwierigkeiten, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen

-     verliert und vergisst häufig Dinge

-     macht viele Dinge kaputt

-     hat häufig Unfälle mit dem Roller, dem Fahrrad etc.

-     beteiligt sich an gefährlichen Aktivitäten, ohne dabei Angst zu haben  

 

Zusammengefasst zeigen diese Kinder also Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit, der Impulskontrolle (handeln ohne zu denken) sowie eine starke Bewegungsunruhe.

 

Eine definitive Ursache der ADHS konnte trotz intensiver Forschungsbemühungen noch nicht ermittelt werden. Als gesichert gilt, das Erbfaktoren eine Rolle spielen. ADHS-Kinder haben ungefähr viermal häufiger hyperkinetische Geschwister, Eltern oder Verwandte. Die allermeisten Forscher stimmen darin überein, dass es sich um  eine biologisch verursachte Erkrankung handelt, bei der chemische Abläufe im Gehirn gestört sind.

 

Sollte sich bei einem Kinder der Verdacht auf eine ADHS ergeben, sollten die Eltern den Hausarzt bitten, ihr Kind an einen Kinder- und Jugendpsychiater oder ADHS-erfahrenen Kinderarzt zu überweisen. Dieser führt die erforderlichen Untersuchungen durch und kann die exakte Diagnose einer ADHS stellen sowie ggf. eine Behandlung einleiten. Gründliche körperliche, neurologische und kinderpsychiatrische Untersuchungen sind sehr wichtig, da auch körperliche und andere seelische Erkrankungen ein hyperkinetisches Syndrom vorgaukeln können.

 

Die Therapie erfolgt in der Regel mit Medikamenten, die in Kombination in der Beratung von Eltern und psychotherapeutischen Maßnahmen bei den Kindern ausgezeichnete Behandlungserfolge aufweist. Um weitere Störungen zu verhindern, müssen die Kinder rechtzeitig in Behandlung kommen. Die Eltern können vom Arzt erlernen, besser die Probleme ihrer Kinder zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Auch die Lehrer sollten Hilfestellungen vom Arzt und den Eltern erhalten, um sich optimal auf die Besonderheiten dieser Kinder einzustellen. Von großer Wichtigkeit ist es daher, dass Kinder, Eltern und Lehrer über die Erkrankung aufgeklärt sind.

 

Werden die Patienten nicht angemessen behandelt, kommen meist noch weitere Störungen hinzu. Die Kinder fallen auch bei guter Begabung in den Schulleistungen ab, sind aufgrund ihrer ständigen Misserfolge wenig selbstbewusst, traurig verstimmt oder auch aggressiv. Bei den Klassenkameraden sind sie häufig aufgrund ihres Verhaltens unbeliebt oder sogar gefürchtet. Nicht selten resultiert aus den krankhaften Verhaltensauffälligkeiten ein Teufelskreis: die Kinder haben gelernt, dass sie ihre Lage kaum verbessern können, auch wenn sie sich anstrengen. Hieraus kann sich eine Misserfolgsorientierung ergeben, die sich in völliger Leistungsverweigerung und trotzigem Verhalten äußert und die bestehende Symptomatik noch verstärkt. Um trotz ihres Verhaltens bei den Klassenkameraden "Anerkennung " zu finden, werden manche hyperkinetische Kinder zum "Klassenkaspar" oder wollen durch besonders "gewagte Streiche" auffallen. Auch die Eltern leiden unter dieser Situation: Täglich werden neue Schreckensmeldungen aus der Schule erwartet, immer wieder werden sie mit Vorwurf konfrontiert, in der Erziehung versagt zu haben. Die Eltern werden wegen ihrer Kinder nur noch ungern von anderen eingeladen, manchmal leben die betroffenen Familien völlig isoliert. Die ständigen Ermahnungen und Bestrafungen der Kinder verstärkt wiederum deren Symptomatik. Bei schweren hyperkinetischen Störungen, die lange Zeit nicht behandelt worden sind, stehen Eltern und Kinder nicht selten auf einem regelrechten Trümmerhaufen in Bezug auf die schulische und soziale Situation.  

 

Grundlagen der Diagnose ist das Gespräch über das Kind und seine Lebensbedingungen: die Anamnese.

 

Die folgenden Bausteine sind für die Diagnose besonders wichtig:

 

1.  Befragung von Eltern und Geschwistern

2.  Befragung von Lehrern, Erziehern, Tagesmüttern oder anderen Betreuern

3.  Beobachtung des Kinds

4.  Untersuchung des körperlichen, psychischen und emotionalen Entwicklungsstandes

5.  Befragung zu Belastung innerhalb der Familie

 

 

So können Sie den Arzt unterstützen:  

Im Mittelpunkt der Diagnose steht das Gespräch mit den Eltern und dem betroffenen Kind selbst. Von großer Wichtigkeit sind aber auch Informationen von Lehrern, Erziehern oder weiteren Personen, die viel Zeit mit dem Kind verbringen und ihm nahe stehen.

Es ist wichtig, dass Sie dem Arzt offen und ungeschönt über die Probleme in Familie und Schule berichten. Er braucht diese Information, um eine eindeutige Diagnose zu stellen oder andere Ursachen für diese Probleme erkennen zu können.

Große Bedeutung für die Diagnose oder für den Ausschluss von ADHS haben Hinweise und Verhaltensauffälligkeiten

 

1.      in Abhängigkeit von Tageszeit, Wochentag oder Schulzeit

2.      gegenüber einzelnen Personen (z. B. Lehrer oder Geschwister) oder in Gruppen

         ( z. B. in der Schulklasse)

3.      beim Lernen oder in der Freizeit

4.      in Zusammenhang mit der Ernährung

 

Weitere wichtige Kriterien sind:

1.      Möglichkeiten der Beeinflussung des Verhaltens durch Lehrer und Eltern

2.      nicht vorhersehbare, unangemessene Gefühlsausbrüche

3.      Häufigkeit von Unfällen

4.      Häufigkeit und Ausmaß körperlicher Auseinandersetzungen

 

Aber auch Situationen mit nicht auffälligem Verhalten und altersgerechtem Verhalten sollten geschildert werden.

 

Eine große Hilfe bei der Befragung sind spezielle Fragebögen, mit denen für die Diagnose wichtige Aussagen erfasst werden. Durch deren Bewertung bekommt der Arzt eine Vielzahl wichtiger Informationen in konzentrierter Form.

 

 

Welche Untersuchungen sind für die Diagnose wichtig?  

Zu den notwendigen Untersuchungen gehören die folgenden Maßnahmen:

 

1.  Anamnese: Ausführliche Erfassung des gesamten kindlichen  Umfelds durch Gespräche und Auswertung der Fragebögen

2.  Klinische Untersuchungen: körperliche und neurologische Untersuchungen, Untersuchungen, Beurteilung des Hör-, Seh-, Bewegungs- und Empfindungsvermögens

 

Weitere Maßnahmen sind z. B.:

 

1.   Psychologische Tests: Durchführung von Entwicklungs-, Intelligenz- oder 

      Aufmerksamkeitstests

2.   Apparative Diagnostik wie z. B. EEG (Untersuchung der Gehirnströme)

3.   Blutuntersuchungen

 

Die gesicherte Diagnose ist die Voraussetzung für die Auswahl der geeigneten Therapien für jedes einzelne Kind.

 

Nicht jedes Kind, das unaufmerksamer, unruhiger, impulsiver oder auch verträumter ist, leidet an ADHS oder ADS.